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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.12.2006
Aktenzeichen: 15 Sa 1347/06
Rechtsgebiete: SGB IX
Vorschriften:
SGB IX § 90 |
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung das Teilurteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 02.03.2006 - 4 Ca 2543/05 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 15.09.2005 noch durch die Kündigung vom 27.09.2005 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 30.04.2006 fortbestanden hat. Die Klage auf Weiterbeschäftigung über den 30.04.2006 hinaus wird abgewiesen.
Von den Kosten des Teil-Urteils vom 02.03.2006 und von den Kosten der Berufung trägt der Kläger 4/10, die Beklagte 6/10.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 10.000,00 EUR.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier Kündigungen sowie um Weiterbeschäftigung.
Der im Jahr 1959 geborene Kläger ist seit dem Jahre 2001 als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Er war seit dem 01.04.1997 bei einer Firma H3. D2. R3. T2xxxxxxxx GmbH, F1xxxxxxx - E1xxx - S2x. 92 in 51xxx W1xxxx (im folgenden Firma H4x) beschäftigt. Geschäftsführerin der Firma H4x war Frau S3xxxxx R1xxxxx, die Mutter der Inhaberin der Beklagten. Mit Schreiben vom 15.10.2004 teilte die Firma H4x dem Kläger folgendes mit:
"....leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass unsere Firma zum 15.10.2004 Insolvenz angemeldet hat.
Hiermit sprechen wir Ihnen die Kündigung zum 15.10.2004 aus.
Wir bedanken uns für die langjährige Mitarbeit, und wünschen Ihnen und Ihrer Familie alles erdenklich Gute...."
Mit einem weiteren Schreiben vom 15.10.2004 teilte die Inhaberin der Beklagten dem Kläger folgendes mit:
"...ab dem 19.10.2004 übernehme ich Kunden sowie Fahrzeuge der insolventen Firma H3.D2.R3.. Da Sie als langjähriger Mitarbeiter der Firma H3.D2.R3. mit den Kunden sowie mit den Fahrzeugen vertraut sind, würde ich Sie gerne als Fahrer in meinem Unternehmen einstellen. Da ich Jungunternehmerin bin und meine Firma im Baustoff- und Transportwesen tätig ist, und für mich eine konjunkturschwache Zeit beginnt, kann ich Sie nur arbeitsbedingt einsetzen. Diesen Beschäftigungsvertrag auf geringfügige Arbeit, ab dem März 2005 könnten wir Sie in ein festes Arbeitsverhältnis übernehmen.
Da Sie laut Versorgungsamt eine körperliche Behinderung von 50 % haben und aus diesem Grund das Fahrzeug für Sie umgerüstet worden ist, ist es für mich eine Selbstverständlichkeit dass Sie auch in Zukunft auf diesem Fahrzeug weiter ihrer Arbeit nachgehen könnten. Ich würde mich freuen wenn wir in dieser Angelegenheit, in nächster Zeit einen Gesprächstermin mit Ihnen vereinbaren können um nähere Einzelheiten zu besprechen...."
Mit Datum vom 22.11.2004 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag, der in § 1 vorsah, dass der Kläger mit Wirkung vom 01.03.2005 in die Dienste der Beklagten trat. Wegen der weiteren Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages wird auf Blatt 11 ff. d. A. Bezug genommen.
Mit einem nicht unterzeichneten Schreiben vom 02.02.2005 (Bl. 31 d. A.) teilte die Inhaberin der Beklagten dem Kläger folgendes mit:
"....der mit ihnen am 23.11.2004 geschlossene Arbeitsvertrag ist hinfällig.
Begründung:
Da die Auftragslage es momentan nicht zulässt das sie am 01.03.2005 bei uns anfangen können.
Wir haben das für sie zuständige Arbeitsamt (Herr R4xxxx) darüber informiert. Des weiteren haben wir dem Arbeitsamt mitgeteilt dass sie, wenn es die Auftragslage zulässt zum 01.04.2005 bis zum 31.10.2005 einen befristeten Arbeitsplatz bei uns bekommen...."
Am 01.04.2005 nahm der Kläger die Arbeit bei der Beklagten auf, die als weiteren Arbeitnehmer nur noch den Vater der Inhaberin der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 15.09.2005 (Bl. 24 d. A.) erklärte die Beklagte dem Kläger die fristlose Kündigung zum 13.09.2005. Mit weiterem Schreiben vom 27.09.2005 (Bl. 25 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos mit sofortiger Wirkung, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin, dem 31.10.2005. Gegen diese Kündigungen wendet der Kläger sich mit seiner Feststellungsklage, die am 05.10.2005 beim Arbeitsgericht Bochum eingegangen ist. Darüber hinaus macht der Kläger Vergütungsansprüche und die Erteilung eines Zeugnisses geltend. Der Kläger hat inzwischen sein Arbeitsverhältnis selbst zum 30.04.2006 gekündigt.
Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen, die Kündigung vom 15.09.2005 sei bereits deshalb als unwirksam anzusehen, da sie nicht von der Inhaberin der Beklagten unterzeichnet worden ist. Er, der Kläger, habe die Kündigung deshalb mit Schreiben vom 22.09.2005 zurückgewiesen. Die Kündigung sei aber auch wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Kündigung bereits länger als sechs Monate bestanden. Er, der Kläger, sei bereits seit dem 01.04.1997 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma H4x beschäftigt gewesen. Zwar sei dieses Arbeitsverhältnis durch Schreiben vom 15.10.2004 gekündigt worden. Die Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses sei jedoch nicht von rechtlicher Bedeutung. Mit Schreiben der Beklagten vom 15.10.2004 sei ihm bereits mitgeteilt worden, dass er bei der Beklagten weiterarbeiten könne. Bereits am 23.11.2004 sei der neue Arbeitsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen worden. Nach alledem habe ein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB vorgelegen. Die Beklagte habe sämtliche personellen und sächlichen Mittel der Firma H4x als ihrer Rechtsvorgängerin übernommen. Die Identität der auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit sei gegeben. Die Beklagte besitze nur zwei Lkw's, die von der Fa. H4x übernommen worden seien. Auch die Bankverbindung und die Telefonanschlüsse seien gleich geblieben, ebenso die beschäftigten Arbeitnehmer, nämlich er, der Kläger, und der Vater der Inhaberin der Beklagten. Auch sämtliche Kunden seien dieselben geblieben.
Unerheblich sei, wann er, der Kläger, mit seiner tatsächlichen Arbeitsleistung für die Beklagte habe beginnen sollen. Ursprünglich sei der Arbeitsbeginn auf den 01.03.2005 festgelegt worden und dann einvernehmlich um einen Monat auf den 01.04.2005 verlegt worden. Dies habe aber nichts daran geändert, dass das Arbeitsverhältnis gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen sei. Dem entsprechend könne die Beklagte sich nicht darauf berufen, dass die Frist des § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX noch nicht abgelaufen gewesen sei. Er, der Kläger, habe diese Frist zweifellos erfüllt, da er seit 1997 in einem ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 90 SGB IX gestanden habe.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei das Arbeitsverhältnis auch nicht befristet abgeschlossen worden. Schließlich habe die Beklagte auch keinen Grund zur Kündigung gehabt.
Der Kläger hat beantragt,
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 15.09.2005, zugestellt am 17.09.2005, nicht zum 13.09.2005 und auch nicht zu einem sonstigen Beendigungsdatum aufgelöst worden ist.
2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 27.09.2005, zugestellt am 27.09.2005 weder zum 27.09.2005 noch zum 31.10.2005 noch zu einem sonstigen Beendigungstermin aufgelöst worden ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.000,-- € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.09.2005 abzüglich am 27.09.2005 gezahlter 500,-- € brutto zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 605,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.
6. Sollte die Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichts erklären, dass sie den Kläger weiterbeschäftigen wird, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergeht, stellen wir folgenden weiteren Antrag:
7. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1. zu den bisherigen Bedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.
8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,-- € brutto nebst Zinsen aus jeweils 2.000,-- € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.10.2005, 11.11.2005, 11.12.2005, 11.01.2006 und 11.02.2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
1. die Klage abzuweisen.
2. Der Kläger und Widerbeklagte wird verurteilt an die Beklagte und Widerklägerin einen Betrag in Höhe von 3.669,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Sie hat vorgetragen, die Kündigung vom 27.09.2005 sei als rechtswirksam anzusehen. Einer Zustimmung des Integrationsamtes habe es nicht bedurft. Die Parteien hätten sich darauf geeinigt, dass Arbeitsbeginn der 01.04.2005 sein solle. Damit habe das Arbeitsverhältnis erst mit diesem Zeitpunkt begonnen und damit bei Ausspruch der Kündigung noch keine sechs Monate bestanden. Auf Vorbeschäftigungen bei der von ihrer Mutter geführten Gesellschaft oder dem von ihrem Vater betriebenen Fuhrgeschäft komme es nicht an. Sie, die Beklagte, sei nicht Rechtsnachfolgerin der Firma H4x. Ein Betriebsübergang liege nicht vor. Dem Kläger sei wegen Insolvenz der Firma H4x rechtswirksam zum 15.10.2004 gekündigt worden. Gegen diese Kündigung sei der Kläger nicht vorgegangen. Zu diesem Zeitpunkt habe für sie, die Beklagte, noch nicht festgestanden, ob sie einen weiteren Arbeitsplatz neben dem Arbeitsplatz, den sie für ihren Vater einzurichten beabsichtigt habe, auch mit der gebotenen Verantwortung dauerhaft werde zur Verfügung stellen können. Erst Ende November 2004 sei es auf Drängen der Ehefrau des Klägers zu einem Angebot auf Einstellung ab dem kommenden Frühjahr gekommen. Auch wenn sie, die Beklagte, die Lkw's der Firma H4x vom Insolvenzverwalter übernommen habe, so habe sie den Betrieb doch nicht fortgeführt im Sinne des § 613 a BGB. Jedenfalls aber sei das Beschäftigungsverhältnis nicht ununterbrochen gewesen. Der Kläger sei gerade nicht im Anschluss an den 15.10.2004 beschäftigt worden. Dem entsprechend habe das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Kündigung noch keine sechs Monate bestanden.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei auch befristet gewesen. Sie, die Beklagte, habe auch Gründe zur außerordentlichen fristlosen Kündigung gehabt.
Die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche seien unbegründet. Darüber hinaus stehe ihr, der Beklagten, ein Schadenersatzanspruch aus einem Unfallgeschehen vom 18.08.2005 zu, den sie im Wege der Widerklage geltend mache.
Am 02.03.2006 hat das Arbeitsgericht folgendes Teil - Urteil verkündet:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 15.09.2005 noch durch die Kündigung vom 27.09.2005 aufgelöst wurde.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits im Umfang dieses Teil-Urteils.
4. Der Streitwert wird auf 10.000,-- € festgesetzt.
Gegen diese Entscheidung, die der Beklagten am 20.07.2006 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 14.08.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am 19.09.2006 begründet worden ist.
Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, sie sei vor Ausspruch der Kündigung vom 27.09.2005 nicht verpflichtet gewesen, die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien habe im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht länger als sechs Monate ohne Unterbrechung bestanden. Dabei sei auf die tatsächliche Beschäftigung abzustellen. Nach Abschluss des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 23.11.2004 hätten die Parteien vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis - und zwar als befristetes - erst ab dem 01.04.2005 beginnen sollte. Dies sei für beide Seiten klar gewesen, so dass eine schriftliche Fixierung dieser Abrede nicht für notwendig erachtet worden sei. Als sich Ende Januar 2005 bei ihr, der Beklagten, die schlechte Auftragslage angedeutet habe, habe sie dem Kläger mit Rücksicht auf seine Behinderung ein befristetes Arbeitsverhältnis vom 01.04.2005 bis zum 31.10.2005 zu ansonsten identischen Bedingungen des schriftlichen Vertrages vom 23.11.2004 angeboten. Dieses Angebot habe der Kläger durch seinen Arbeitsbeginn am 01.04.2005 tatsächlich angenommen. Dahinstehen könne, ob die Befristungsabrede wegen des gesetzlichen Schriftformerfordernisses möglicherweise unwirksam sei. Der Kläger habe sich insbesondere gegenüber der Bundesagentur für Arbeit exakt an dieses Angebot gehalten und es damit konkludent angenommen. Er habe dort angegeben, dass das Arbeitsverhältnis ab dem 01.04.2005 beginne und auf den 31.10.2005 befristet abgeschlossen sei. Dem entsprechend habe der Kläger auch bis zum 31.03.2005 Leistungen der Bundesagentur bezogen.
Die Beklagte beantragt,
das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Bochum 02.03.2006 - 4 Ca 1543/05 - abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, er sei vor Ausspruch der Kündigungen bereits circa acht Jahre bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern beschäftigt gewesen. Die Vorbeschäftigungszeiten müsse die Beklagte sich gemäß § 613 a BGB entgegenhalten lassen. Die Beklagte habe sämtliche personellen und sächlichen Mittel ihrer Rechtsvorgängerin übernommen. Hierbei habe es sich insbesondere um zwei Lkw's gehandelt, von denen der eine vom Vater der Inhaberin der Beklagten und der andere, der wegen seiner Schwerbehinderung umgebaut gewesen sei, von ihm, dem Kläger, gefahren worden sei. Dem entsprechend sei vor Ausspruch der Kündigungen die Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich gewesen.
Zudem sei der Beginn der Wartezeit des § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX nicht dadurch hinausgezögert worden, dass die vorgesehene Arbeitsaufnahme aufgrund von ihm nicht zu vertretender Umstände verzögert worden sei. Die Inhaberin der Beklagten habe ihn im Februar 2005 angerufen und darum gebeten, aufgrund der schlechten Auftragslage erst im April 2005 mit der Tätigkeit zu beginnen. An dem Bestand des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.03.2005 habe dies nichts ändern sollen. Soweit die Beklagte sich auf ein Schreiben vom 02.02.2005 berufe, sei dieses Schreiben erstmals im Gütetermin vom 16.11.2005 vorgelegt worden. Das Schreiben vom 02.02.2005 sei ihm vorher nicht bekannt gewesen. Eine konkludente Vertragsänderung sei deshalb nicht gegeben. Insbesondere sei das Arbeitsverhältnis nicht für die Zeit vom 01.04. bis zum 31.10.2005 befristet gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 02.03.2006 ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
Der Sache nach hat die Berufung insoweit Erfolg, als die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers über den 30.04.2006 hinaus verurteilt worden ist. Insoweit war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen. Denn der Kläger hat im Termin vom 21.12.2006 erklärt, er habe sein Arbeitsverhältnis inzwischen selbst zum 30.04.2006 gekündigt. Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung des Klägers über diesen Zeitpunkt hinaus besteht deshalb nicht mehr. Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden. Denn das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 15.09.2005 noch durch die Kündigung vom 27.09.2005 aufgelöst wurde.
1.
Die Kündigungen vom 15.09.2005 und 27.09.2005 sind bereits deshalb rechtsunwirksam, weil die Beklagte die gemäß § 91 SGB IX vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung und gemäß § 85 SGB IX vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung erforderlichen Zustimmungen des Integrationsamtes nicht eingeholt hat. Denn das Arbeitsverhältnis bestand zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärungen länger als sechs Monate im Sinne des § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX.
a)
Unstreitig war der Kläger bereits seit dem 01.04.1997 als Kraftfahrer bei der Firma H4x beschäftigt, deren Geschäftsführerin die Mutter der Inhaberin der Beklagten war. Zwar hat die Firma H4x dem Kläger mit Schreiben vom 15.10.2004 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.10.2004 ausgesprochen. Diese Kündigung ist jedoch rechtsunwirksam und hat nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt. Denn die Firma H4x hat vor ihrem Ausspruch offensichtlich nicht die gemäß §§ 85 ff., 91 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt. Jedenfalls sind dahingehende tatsächliche Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich. Da der Kläger bei der Firma H4x bereits seit dem 01.04.1997 tätig war und seit 2001 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt war, bedurfte die Kündigung vom 15.10.2004 der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Der Fa. H4x war die Schwerbehinderung offensichtlich bekannt. Denn der vom Kläger benutzte Lkw war aus diesem Grunde umgerüstet worden.
b)
Bestand das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Firma H4x angesichts der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung vom 15.10.2004 zunächst weiter fort, so ist es in der Folge gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte dieses Rechtsstreits übergegangen. Die Beklagte hat nicht bestritten, sämtliche personellen und sächlichen Mittel der Firma H4x, insbesondere die zwei Lkw's der Firma H4x übernommen zu haben. Nach dem Sachvortrag des Klägers, den die Beklagte nicht bestritten hat, sind auch die Bankverbindungen und Telefonanschlüsse sowie die Kunden gleich geblieben. Die Beklagte hat auch den Vater der Inhaberin der Beklagten, der ebenfalls bei der Firma H4x als Arbeitnehmer tätig war, unmittelbar weiterbeschäftigt. Darüber hinaus hat sie dem Kläger mit Schreiben vom 15.10.2004 mitgeteilt, dass sie ab dem 19.10.2004 die Kunden sowie Fahrzeuge der insolventen Firma H4x übernehme und deshalb den Kläger als langjährigen Mitarbeiter der Firma H4x, der mit den Kunden sowie mit den Fahrzeugen vertraut sei, gerne als Fahrer in ihrem Unternehmen einstellen möchte. Angesichts dieser Umstände kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Beklagte den Betrieb der Firma H4x übernommen hat. Dies hat gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB zur Folge, dass die Beklagte in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. Mit dem Übergang des Betriebs auf die Beklagte, der entsprechend dem Schreiben der Beklagten vom 15.10.2004 auf den 19.10.2004 als des Zeitpunkts der Übernahme der Kunden sowie Fahrzeuge der Firma H4x zu datieren ist, ist das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Firma H4x mit allen Rechten und Pflichten auf die Beklagte übergegangen. Dies beinhaltet auch die Tatsache des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses seit dem 01.04.1997. Infolge des Betriebsübergangs ist die Beklagte Arbeitgeberin des Klägers geworden, dessen Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt seines Überganges bereits länger als sechs Monate im Sinne des § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX bestand.
c)
Unerheblich ist, dass der Kläger gegen die Kündigung der Firma H4x vom 15.10.2004 nicht gerichtlich vorgegangen ist.
aa)
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Der Arbeitnehmer ist also gehalten, auch außerhalb des Anwendungsbereiches des Kündigungsschutzgesetzes innerhalb der Frist des § 4 KSchG die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung geltend zu machen. Unterlässt er dies, so gilt die Kündigung gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam.
bb)
Auch wenn der Kläger sich bisher gegen die Kündigung der Firma H4x vom 15.10.2004 nicht gerichtlich zur Wehr gesetzt haben sollte, ändert dies nichts daran, dass die Dauer des früheren Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der Firma H4x auf die zeitliche D4xxx des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der Beklagten anzurechnen ist. Gemäß § 4 Satz 4 KSchG läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichtes, soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer. Eine ohne Bekanntgabe einer Zulässigkeitserklärung der Behörde an den Arbeitnehmer diesem gegenüber ausgesprochene Kündigung setzt den Lauf der Dreiwochenfrist demnach nicht in Gang. Der Arbeitnehmer kann deshalb ohne die Begrenzung durch die Dreiwochenfrist das Fehlen einer Zulässigkeitserklärung - bis zur Grenze der Verwirkung - jederzeit geltend machen, wenn ihm die Entscheidung der zuständigen Behörde - welchen Inhalts auch immer - nicht bekannt gegeben worden ist (vgl. BAG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 487/02 , NZA 2003, 1335, 1336; Bänder/Schmidt, NZA 2004, 364 m. w. N.).
Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass das Recht des Klägers, die Unwirksamkeit der Kündigung der Firma H4x vom 15.10.2004 geltend zu machen, verwirkt sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Beklagte hatte dem Kläger zeitgleich mit der Kündigung der Firma H4x mit Schreiben vom 15.04.2004 unter anderem mitgeteilt, es sei für sie eine Selbstverständlichkeit, dass der Kläger auch in Zukunft auf dem umgerüsteten Fahrzeug weiter seiner Arbeit nachgehen könne. Angesichts dieses Schreibens der Beklagten vom 15.10.2004 konnte der Kläger davon ausgehen, dass die Beklagte ihn unabhängig von der Kündigung der Firma H4x vom 15.10.2004 im Hinblick auf die Übernahme der Kunden sowie der Fahrzeuge der Firma H4x weiterbeschäftigen werde. Wenn der Kläger unter diesen Umständen die Kündigung der Firma H4x vom 15.10.2004 nicht gerichtlich angegriffen hat, so ist die Beklagte gehindert, dem Kläger die rechtliche Unterbrechung des gemäß § 613 a BGB auf sie übergegangenen Arbeitsverhältnisses durch Kündigung der Firma H4x entgegenzuhalten.
2.
Auch wenn das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 15.09.2005 und 27.09.2005 nicht aufgelöst worden ist, so ist das Urteil des Arbeitsgerichts dennoch insoweit abzuändern und die Klage abzuweisen, als der Kläger die Beklagte auf Weiterbeschäftigung über den 30.04.2006 in Anspruch nimmt. Der Kläger hat im Termin vom 21.12.2006 zu Protokoll erklärt, dass er das Arbeitsverhältnis zur Beklagten inzwischen selbst zum 30.04.2006 gekündigt hat. Damit hat er über diesen Zeitpunkt hinaus keinen Anspruch mehr auf Weiterbeschäftigung bei der Beklagten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO.
Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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